von Thomas Bettinger

Diese 10 Tipps beziehen sich nicht nur auf das Programm Förderdiagnose, sie gelten vielmehr allgemein für jede Durchführung von Förderdiagnosen.

 

  1. Die Förderdiagnose dient dem Kind!
    Das Ziel einer Förderdiagnose ist immer die Beantwortung der Frage: „Wie können wir dem Kind helfen?“ Eine Förderdiagnose dient nicht der Ausgrenzung; etwaige Schwierigkeiten sollen möglichst früh entdeckt und geeignete Fördermaßnahmen gefunden werden.

     

  2. Die Lösung der Probleme steht immer im Vordergrund
    Das Gutachten sollte einen unmittelbaren Nutzen haben für alle Personen, die das Kind betreuen, indem es die Bereiche aufzeigt, in denen das Kind eine besondere Förderung braucht und wie diese aussehen soll. Keinesfalls sollte die Interpretation einer Diagnose einfach mit der Feststellung enden, daß Sonderpädagogischer Förderbedarf besteht, vielmehr sollten geeignete Fördermaßnahmen vorgeschlagen werden.

     

  3. Die Durchführung erfolgt durch ein Team
    Das Team sollte neben dem Klassenlehrer aus verschiedenen Spezialisten wie Psychologen, Logopäden, Sprachheillehrern, Sonderschullehrern, Sozialarbeitern oder Ärzten bestehen.
    Das Team, das die Überprüfung durchführt, muß darauf achten, daß die einzelnen Teile der Überprüfung nur von Personen durchgeführt werden, die dies auch können (und dürfen).
    Die Interpretation der Ergebnisse einer Diagnose hängt hauptsächlich ab von der Erfahrung der Teammitglieder und ihrer Fähigkeit, die Ergebnisse gemeinsam und aus allen Blickwinkeln zu betrachten.
    Die Gutachten der Teammitglieder enthalten nicht nur die Rohergebnisse der Beobachtungen, sondern auch die Schlüsse, die aus diesen Ergebnissen gezogen werden können, und die Empfehlungen der Verfasser.

     

  4. Das Gutachten als Ergebnis einer Förderdiagnose muß verständlich und nachvollziehbar sein
    Jedes einzelne Gutachten muß so formuliert sein, daß jeder andere im Team (einschließlich der Eltern und Lehrer) versteht, was herausgefunden wurde, was das Resultat bedeutet und was der Verfasser empfiehlt. Der Gebrauch von speziellen Fachausdrücken verschleiert oft die wahre Bedeutung und sollte vermieden werden. Falls sich der Gebrauch von Fachausdrücken nicht vermeiden läßt, so sollten diese wenigstens für den Laien verständlich erklärt werden.

     

  5. Sorgfalt bei der Auswahl der Prüfverfahren
    Alle Überprüfungen sollten individuell angepaßt und durchgeführt werden. Die Prüfverfahren dürfen nicht so gewählt werden, daß eine etwaige Behinderung oder eine fehlende Voraussetzung das Ergebnis verzerrt (Beispiel: Ein Kind, das nicht lesen kann, darf nicht mit schriftlichen Fragen konfrontiert werden). Das gilt besonders für die Sprache und den kulturellen Hintergrund: Die Überprüfung darf für Kinder aus anderen Kulturkreisen nicht diskriminierend sein. Alle Beobachtungsverfahren müssen in der Muttersprache des Kindes (oder in seiner Art der Kommunikation) durchgeführt werden.

     

  6. Schaffen Sie keine Testatmosphäre!
    Erklären Sie dem Kind, warum Sie die Überprüfung durchführen und was Sie machen werden. Beginnen Sie mit möglichst einfachen Aufgaben, um die Atmosphäre zu entkrampfen.

     

  7. Vorsicht beim Einsatz von standardisierten Tests
    Standardisierte Tests sollen Beobachtungen wiederholbar und vergleichbar machen. Wenn die Testergebnisse nur angeben, in welchen Bereichen das Kind schlechtere Ergebnisse als eine Vergleichsgruppe erzielt, dann bieten sie nur wenig Hilfe bei der Überlegung, von welchen Fördermaßnahmen das Kind profi-tieren könnte, um diese „Defizite“ auszugleichen.

     

  8. Bedenken Sie, daß bei jeder Beobachtung Fehleinschätzungen passieren!
    Bei einer Förderdiagnose entsteht kein endgültiges Bild des Kindes, sondern eine Momentaufnahme, die aus einer Vielzahl von Puzzleteilchen ein vorläufiges Bild ergibt. Je umfassender die Beobachtung war, umso genauer wird das Ergebnis sein, auf dessen Grundlage die Entscheidungen über Fördermaßnahmen getroffen werden.

     

  9. Förderdiagnose ist ein permanenter Prozeß
    Die Förderdiagnose ist mit der Erstellung eines Gutachtens oder der Feststellung des Förderbedarfs nicht abgeschlossen. Sonderpädagogischer Förderbedarf ist keine unveränderbare Größe. Es muß vielmehr zu einer ständigen Überprüfung der Ergebnisse einer Förderdiagnose kommen: Waren die Schlüsse aus den Beobachtungen richtig? Gab es Erfolge? Müssen weitere Beobachtungen durch-geführt, andere Verfahren angewendet werden?

     

  10. Kinder sind keine Automaten, die einfach repariert werden können, „wenn sie nicht funktionieren“
    Nicht alle Probleme können „therapiert“ werden!